Geburtstag: | |
Todestag: | |
Nation: | Deutschland |
von Michael Töteberg
Stand: 01.06.2011
Wolfgang Deichsels Thema waren die Katastrophen des Alltags, der Einbruch des Unbekannten, Unheimlichen in die Bürgerwelt, die plötzliche Irritation über eine bislang als normal akzeptierte Situation. Seine Figuren waren Kleinbürger, Angehörige der Mittelschicht, bei denen die tägliche Verdrängung nicht mehr funktioniert. Deichsel war Theaterautor: Er schrieb ausschließlich Dialoge und erfand szenische Konstellationen, bemüht um rücksichtslose Zuspitzung der dramatischen Situation, um Sprachwitz und Sinnlichkeit. Er verzichtete auf weitflächige Handlungsbögen und psychologische Charakterstudien. Die Fremdbestimmung des Menschen in der heutigen Gesellschaft zeigte Deichsel in einer nichtfinalen Dramaturgie – vor allem in „Frankenstein“, einem ab 1962 ständig überarbeiteten und erweiterten Szenenkomplex–, oder in vorgefundenen, meist der Subliteratur entnommenen Formen: Lokalposse und Farce, Science-Fiction und Horrorstoffe wurden ebenso nutzbar gemacht wie der hessische Dialekt. Widerstrebende Tendenzen wurden gegeneinander geführt: die vertraute heimatliche Mundart mit Entsetzen und Chaos, Possenkomik mit Schreckensvisionen. „Je undurchschaubarer die gesellschaftlichen Zusammenhänge“, argumentierte Deichsel, „desto größer das Vergnügen an trivialen Geschichten“. Solche Dialektik wurde vom Autor funktional eingesetzt: Was wie ein urwüchsiger Mundartschwank aussieht, erweist sich als Attrappe eines bewussten Kunstprodukts.
Deichsel zitiert Trivialmythen als soziale Metaphern. Das spielerische ...