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Nation: | Schweiz |
von Josef Zierden
Stand: 01.06.1996
Als Sprachwissenschaftler hat Walter Schenker immer wieder den Zusammenhang von Sprache und gesellschaftlicher Veränderbarkeit untersucht. Seine literarischen Veröffentlichungen dokumentieren die vielfältigen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Verkrustungen in der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland seit der Nachkriegszeit; sie sind zugleich ein durchgängiges Plädoyer, die Grenzen und Mauern eingefahrener Wirklichkeitswahrnehmungen, ideologischer Weltdeutungen und erstarrter Ordnungen zu überwinden.
Ideologiekritik mit literarischen Mitteln versuchten schon die sieben „Solothurner Geschichten“ in „Leider“ (1969). In mimikryartiger Nachbildung alltäglicher Sprach- und Denkmuster, mit fortwährenden Kontrastierungen, Parallelisierungen und Ironisierungen beschreibt Schenker darin die bürgerliche Gesellschaft der schweizerischen Kantonshauptstadt zur Zeit des Kalten Krieges: die Fassadenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit der restaurativen Ordnungs- und Wertewelt mit ihren Leitworten „Ruhe und Ordnung“, „Tradition“, „Anstand“, „Sauberkeit“; das Versagen des christlich-humanistischen Bildungsideals; die Anfälligkeit für den Faschismus und seine Symptome (Fremdenhass, Intellektuellenfeindlichkeit); die Mehrfachfunktion des Antikommunismus, der im Namen von „Freiheit“ und „Demokratie“ eine Verdrängung der Hitlerzeit und eine Verschleierung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse erlaubt. Der antiindividualistische, weil normierende Anpassungsdruck der bürgerlichen Gesellschaft ist sprachlich nachgebildet in passivischen „man“-Konstruktionen, den gehäuften Modalverben „sollen“, „dürfen“, „müssen“ und den überwiegenden Kollektivsubjekten, ...