Geburtstag: | |
Nation: | Deutschland |
von Manfred Jäger
Stand: 01.08.2007
In einer 1976 erschienenen Literaturgeschichte der DDR, in der der 31. Oktober 1974 als Tag des Redaktionsschlusses genannt wird, finden sich auch einige Zeilen über Reiner Kunze. Das Autorenkollektiv zeigte sich unzufrieden und verärgert über die unerschrockene kritische Position des Dichters, vermied es jedoch, die Differenzen konkret und im Detail zu benennen. Es begnügte sich damit, Kunzes „subjektiv eingeengte Betrachtungsweise“ zu tadeln, der zufolge er ein „verzerrtes Bild der sozialistischen Gesellschaft und ihrer komplizierten Entwicklungsprobleme“ entworfen habe. Der Hinweis auf die „Kompliziertheit“ ist ein Indiz dafür, dass die Verfasser durchaus das Gefühl hatten, der Angegriffene habe eher Recht als viele linientreue Vereinfacher. Gerade das brachte die Literaturwissenschaftler, denen die undankbare Aufgabe zufiel, ein offizielles Standardwerk zusammenzustellen, in Verlegenheit und damit in Formulierungsschwierigkeiten. Erst nach dem Zusammenbruch der DDR kamen die geheimen Gutachten der Germanisten ans Licht, die im Dienst der Stasi-Behörden machtpolitischen Klartext schrieben. Zu ihrer Erleichterung konnten sie davon ausgehen, dass der Name Kunzes in einer zweiten Auflage überhaupt nicht mehr hätte genannt werden müssen.
Der vagen Feststellung in der genannten Literaturgeschichte, Kunzes Entwicklung sei „außerordentlich widerspruchsvoll“ verlaufen, wird man zustimmen ...