von Stephen W. Smith und Michael Töteberg
„Es ist vier Uhr morgens. Noch immer tacken hier und da die Salven. Die Stadt schläft und wird es überhören. Morgen werden wir uns wiedertreffen auf der Straße, in den Büros, in den Fabrikhallen, in den Vorlesungssälen. Wir werden so tun, als wäre nichts geschehen, werden über Belanglosigkeiten reden und ein wenig aneinander vorbeiblicken, als hätten wir ein Fest hinter uns, auf dem wir uns alle etwas danebenbenahmen. Vielleicht werden wir auch von Versprechungen hören und vom Beachten berechtigter Interessen. Es wird neue Gelöbnisse geben, neue Erwartungen, neue Klischees. Ich habe einem deutschen Aufstand beigewohnt. Ich weiß jetzt, wie berechtigt es ist, wenn uns die Regierungen dieses Landes seit 1525 nur Mißachtung entgegenbringen. Auch ich gehe jetzt schlafen. Ich grüße dich! Gute Nacht! L.S.“
So endet der „Brief aus Halle, Juni 1953“ (1966), mit dem sich Jochen Ziem literarisch zu Wort meldete – in der Bundesrepublik. Ein Jahr darauf, 1967, folgte sein erstes Schauspiel „Die Einladung“, ein deutsch-deutsches Familientreffen in Ostberlin. Das von der Kritik ausführlich besprochene Stück schien zu bestätigen, was von nun an Jochen ...