Geburtstag: | |
Nation: | Deutschland |
von Thomas Schaefer
Stand: 15.09.2015
Die Schlagworte, die in den 1980er Jahren kursierten und die geistig-kulturellen Strömungen zu charakterisieren und einzuordnen versuchten – „Pluralismus“, „Neue Unübersichtlichkeit“, vor allem „Postmoderne“ –, häufig vage Begriffe, wurden in besonderem Maß für die Lyrik geltend gemacht. Nach der Proklamation des Todes der Lyrik in den 1960er Jahren, nach der Dominanz einer formabgewandten Lyrik in den 1970ern – sie stand unter dem Etikett der Gebrauchs- oder Verständigungslyrik und diente einer „Neuen Innerlichkeit“ sowie als Folie der politischen Resignation und der „Wende zum Ich“ –, finden sich für die 1980er Jahre keine dominierenden Trends, außer dem des „anything goes“.
Für diese Situation, die einerseits Orientierungslosigkeit, andererseits ein Höchstmaß an künstlerischer Freiheit bedeutete, hat die Lyrik des 1952 geborenen Hans-Ulrich Treichel geradezu Modellcharakter. Nach der Publikation einiger Gedichtbände in kleineren Verlagen gelang Treichel Mitte der 1980er Jahre der Durchbruch; er veröffentlichte drei vielbeachtete Lyrikbände: 1986 „Liebe Not“, 1990 „Seit Tagen kein Wunder“, 1994 „Der einzige Gast“. Es handelt sich um Gedichte, die Elemente der „Postmoderne“ in Reinkultur aufweisen: Treichel praktiziert in seiner Lyrik das, was am sichtbarsten in der Architektur der 1980er Jahre offenbar wird: das ...