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Nation: | Deutschland |
von Michael Töteberg
Stand: 15.05.2023
„Das Schriftsteller-Sein ist eine Projektion, die mit der Anstrengung verbunden ist, sich in der Zukunft als ein anderer zu erleben.“ In seinem autobiografischen Essay „Das Element des Elephanten“ (1994) erzählt Hanns-Josef Ortheil von den Wurzeln seines Wunsches, Schriftsteller zu sein: „Es ist die Angst der Kindertage, in denen ich mich vor nichts mehr fürchtete als davor, daß meine Person irgendwann einmal zerfallen und verschwinden würde.“ Schreiben ist für Ortheil die Vergewisserung seiner Existenz. Es ist, obwohl in seiner literarischen Produktion stets autobiografische Elemente auszumachen sind, eine geborgte Existenz: Ortheil eifert großen Vorbildern nach. (Noch sein zitierter Essay, der persönlichste Dinge aus Kindertagen berührt, liest sich über weite Strecken wie eine Paraphrase von Sartres „Die Wörter“.) Unterschwellig ist immer spürbar, dass die Haltung des Autors eine Projektion ist: Obwohl seine Kunstfertigkeit unbestritten ist, weckt seine Prosa den Verdacht, dass Ortheil Posen einnimmt und über keine eigene Sprache verfügt. Musikalität ist ihm zu bescheinigen: Er nimmt eine Melodie auf und versteht es, sie virtuos zu führen. Der Bezug auf die literarischen Codes der Vergangenheit, zugleich die Diagnose gegenwärtiger Tendenzen, wobei er sich einem wirklichen ...