Geburtstag: | |
Nation: | Türkei |
von Sabine Adatepe
Stand: 15.02.2018
„Wie alle anderen bin auch ich aus Sprache gemacht“, postuliert Sema Kaygusuz in ihrem Essay „Die Sprache der Feigen“ (Lettre International 109/2015) und greift mit diesem spätestens auf den zweiten Blick tiefsinnigen Satz unmittelbar in den großen, für ihr Schaffen essenziellen Fundus der Mythen hinein: Am Anfang war das Wort. „Ich glich einer Frucht mit bitterer Schale und zwei Kernen. In einem keimten das Leben heiligende Wörter, im anderen verfluchte Traurigkeit“, führt sie aus. „Aus der Sprache dieser beiden bin ich gemacht. Geformt von der Diktion meiner Mutter, zum Schweigen verurteilt vom Schweigen meiner Großmutter; verurteilt zu einer Rhetorik zwischen Vitalität und Pessimismus wie jeder im eigenen Diskurs Gefangene.“
Kaygusuzʼ Kindheit und Jugend wurde maßgeblich von wechselnden Orten Anatoliens wie auch durch die Großmutter väterlicherseits geprägt, die „wie ein Wasserfall“ redete und doch die desaströse Wende ihres Schicksals lebenslang beschwieg. Geboren Anfang der 1970er Jahre, gehörte sie zu der nach dem Militärputsch 1980 bewusst apolitisch erzogenen Generation, für die Konsum Priorität vor sozialen und politischen Fragen haben sollte. Nach den drastischen Einschnitten durch den Staatsstreich, der noch die letzten Reste der Aufbruchsstimmung ...