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Nation: | Iran |
von Navid Kermani
Kein anderer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts wird heute in Iran mehr verehrt, studiert und gelesen als Ṣādeq Hedāyat. Seine Anziehungskraft ist ein Phänomen. Weder sind seine Texte leicht zugänglich, noch vermögen sie auf eine seichte Art zu unterhalten. Sie sind sprachlich virtuos und nicht selten kühn in ihrer formalen Anlage. Sie laden nicht zur Identifikation ein, bieten keine sympathischen Helden, verstören durch die Unerbittlichkeit, mit der sie aus der Welt das Grauen destillieren. Das Bild, das sie von der Heimat des Autors zeichnen, ist abweisend und düster, provozierend in seiner Einseitigkeit und der Darstellung traditioneller Autoritäten.
Hedāyats Hauptwerk “Die blinde Eule” (1936) ist eine Novelle voller Mysterien, in der sich erschreckende, mitunter brutale Szenen mit Beschreibungen von düsterer Schönheit paaren. Als hektografierte Handschrift in einer Auflage von 50 Exemplaren in Bombay erschienen, wird “Die blinde Eule” als Meisterstück der modernen persischen Prosaliteratur gepriesen. Wenn Iran im 20. Jahrhundert einen Text zum Kanon der Weltliteratur beigesteuert hat, dann ist es dieser. Die im Buch geschilderte Erfahrung erinnert an die vierzigtägige Reise ins Innere, die islamische Mystiker in der Klausur unternehmen. Bei Hedāyat wird ...