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Nation: | Russland |
von Daniel Schümann und Jakob Walosczyk
Stand: 15.09.2017
Prägende Faktoren für Jurʼev als Literaten waren zum einen seine Herkunft aus Leningrad – nach verbreitetem Selbstverständnis der russischen Kulturmetropole, im Gegensatz zum Macht- und Wirtschaftszentrum Moskau –, sowie zum anderen seine jüdische Abstammung, die er mit vielen Akteuren der russischen Literaturszene teilt. Beides, die Zugehörigkeit zur literaturinteressierten Intelligenz der ‚belesensten‘ Nation der Erde (so ein sowjetisches Stereotyp) und zur jüdischen Minderheit, sorgte schon früh für das Gefühl der eigenen Inkongruenz in einer vom Dogma des Sozialistischen Realismus bestimmten Wirklichkeit. Freilich bot das starre politische Regime trotz anderslautender, insbesondere im Westen verbreiteter Klischees auch seine Freiräume, die einen kreativen Nährboden für eine systemunabhängige Kunst und Belletristik abgaben. Speziell in der spätsowjetischen Epoche drangen in diesen nonkonformistischen Mikrokosmos inmitten der Literatur bestenfalls passiv konsumierenden Mehrheitsgesellschaft zunehmend Impulse von außen in Form der Klassiker der westlichen Moderne ein, die von Jurʼev und seinem Kreis begierig aufgenommen wurden. So wenig ernst die offizielle Kulturpolitik auch innerhalb der von Jurʼev repräsentierten Schriftstellerschicht genommen wurde, so bot das System doch eine äußere wirtschaftliche Stabilität, deren Vorzüge erst ...