Miguel Otero Silva

Miguel Otero Silva wuchs unter der Diktatur Juan Vicente Gómez' auf, der 1908 durch eine Palastrevolte an die Macht kam. 1928 beklagte der Schriftsteller den Verlust jeglicher Zivilcourage unter seinen Landsleuten: “Der Venezolaner war rebellisch, nonkonformistisch, großschnäuzig und tapfer. Diese Tyrannei hat aus ihm einen ganz anderen Menschen gemacht, nämlich einen misstrauischen, leidenden, in jeder Hinsicht anpassungsfähigen, der hofft und hofft, ohne irgend etwas zu unternehmen.” (“En las huellas de la pezuña” (Auf den Spuren der Klaue), S.23). Seinen Zorn ließ er in die Poesie fließen. 1927 verfasste er, inspiriert durch die Reiterstatue des Befreiers Bolívar in Caracas, das Gedicht “Bronce” (Bronze), das ein Jahr später in der ikonoklastischen Zeitschrift “válvula” erschien, von der es nur eine einzige Ausgabe im Januar 1928 gab: “Bolivar darf man keine Statuen errichten. / Die Kette aus Bronze muss ein Martyrium sein / für den Mann, der die höchste Freiheit verkörpert. / Eines Tages / wird er seinen Willen der Bronze aufzwingen. / Er muss uns mit dem Pferd allein zurücklassen / das sich aufbäumt / als ob es ausschlagen ...