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Nation: | Libanon |
von Veronika Theis
Von Literaturkritikern wird Khalil Gibran häufig mit Philosophen, Existentialisten und Mystikern des Orients und Okzidents verglichen. Er sei unter anderem beeinflußt von William Blake, Nietzsche, Rousseau, den großen frühislamischen Dichtern und vor allem dem Neuen Testament, heißt es. Solche Parallelen erleichtern das Einordnen eines weniger bekannten Autors, können aber immer nur eine Facette des Mikrokosmos beleuchten, den Leben und Werk eines Künstlers bilden. Gibrans Mikrokosmos ist durchdrungen von ständigem Streben nach spiritueller Wahrheit und Agape, der göttlichen Liebe. Daß sein Weg sich hin und wieder mit Wahrheitssuchern verschiedener philosophischer Schulen und religiöser Richtungen kreuzte, liegt nahe.
In seiner Heimat, dem Libanon, zählt Gibran zu den sogenannten “Exilschriftstellern”, einer Gruppe damals junger Autoren, die um die Jahrhundertwende aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen in die Neue Welt zogen. Ihnen wird in der arabischen Literaturgeschichte eine Sonderstellung eingeräumt. Sie gelten als Erneuerer einer Literatur, die bis dahin im wesentlichen nur die strengen Formen der altarabischen Dichtung und die Reimprosa anerkannte, eine Gattung, die sich aus der Versform des Korans herleitet. Gibran war einer der ersten arabischen Schriftsteller, die formal mit den starren ...