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Nation: | Großbritannien |
von Wolfgang Martynkewicz
Stand: 15.03.2023
Von Ludwig Wittgenstein stammt der Satz, „daß selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet (…), unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind“. Julian Barnes knüpft mit seiner Literatur an diesen Satz an und beschreibt in nahezu allen seinen Romanen eine sich vertiefende Differenz zwischen technisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und moralisch-praktischen Fähigkeiten. Für Barnes ist der Fortschritt in Technik und Moral nicht nur ungleich verteilt, er sieht die beiden Bereiche vielmehr voneinander entkoppelt und immer weiter auseinanderdriften. Der Fortschritt scheint sich – wenn überhaupt – nur auf einer Seite, in Technik und Wissenschaft, zu entwickeln, während die Beziehungen zwischen den Menschen, die privaten Geschichten, gänzlich unberührt davon verlaufen und an den stets gleichen Problemen scheitern. Deshalb müssen die persönlichen Katastrophen oft gar nicht mehr erzählt werden, sie sind bereits alle erzählt. Das Schicksal von Ellen Braithwaite im Roman „Flauberts Papagei“ (1984) wird nur noch angedeutet, nicht mehr wirklich ausgeführt, es ist aufgehoben in der Geschichte von Emma Bovary; Graham Hendrick aus „Als sie mich noch nicht kannte“ (1982) ist eine nahezu getreue Kopie von Nabokovs Humbert Humbert, nur dass der Gegenstand seiner Obsession ein anderer ...