Geburtstag: | |
Nation: | Russland |
von Christine Engel
Stand: 15.05.2013
Evgenij Popov gehört zu den Schriftstellern, die über Nacht bekannt wurden: In der Aprilnummer der umfangreichen Literaturzeitschrift „Novyj mir“ (Neue Welt) wurden 1976 zwei seiner Erzählungen publiziert. Das Vorwort des renommierten Schriftstellers Vasilij Šukšin sollte die damaligen Leser darauf einstimmen, dass die Erzählungen ihren sowjetisch sozialisierten Lesegewohnheiten zuwiderlaufen könnten. Halb entschuldigend meinte Šukšin, dass hier Verlierer und Versager zu Wort kämen, über die man nicht allzu gern lese. Der eigentliche Akzent der Erzählungen liegt jedoch weder auf dem sozialen Elend der Figuren noch auf den Unglücksfällen, die ihnen zustoßen, sondern auf ihrer deformierten mentalen Haltung und der Absenz jeglicher moralischer Kriterien. Popov selbst verwendet die Termini „Lumpen-Proletariat“ und „Lumpen-Intelligenz“ und meint damit ein defizitäres Bewusstsein quer durch alle Bevölkerungsschichten, wobei er diesen Zustand als ein Produkt der politischen, ideologischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der Sowjetunion sieht. Seine Figuren lassen einen Mangel an Kultur erkennen sowie eine fehlende Bereitwilligkeit, ja Unfähigkeit, sich im sozialen Umfeld zu engagieren oder zumindest adäquat zu verhalten. Ohne Emotionshemmung reagieren sie oft impulsiv, gewalttätig und selbstzerstörerisch. Das Setting der Erzählungen ist bevorzugt die häusliche Umgebung, mit einem harschen ...