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Nation: | Nicaragua |
von Widmar Puhl und Gabriele Eschweiler
Stand: 01.04.1988
Eine mystisch-metaphysische Sinnlichkeit, die engagierte Synthese von Christentum und Marxismus sowie eine gleichermaßen historisch wie moralisch begründete Verbundenheit mit der Natur und den kulturellen Wurzeln der (vor allem mittel-)
amerikanischen Indianer sind die herausragenden Merkmale der Werke des nicaraguanischen Dichters, Priesters und Revolutionärs Ernesto Cardenal. Wie wenig das eine vom anderen zu trennen ist, zeigt vor allem sein Gedichtband „Psalmen“ (1969); er gehört sowohl zu den wichtigsten Zeugnissen lateinamerikanischer Lyrik in diesem Jahrhundert als auch zu den zentralen Texten der Befreiungstheologie. Ähnlich sind auch Tendenz und Wirkung des Prosa-Buches „Das Evangelium der Bauern von Solentiname“ (1975): Es handelt sich hierbei um die bearbeiteten Aufzeichnungen der Gespräche, die sich an die Lesung des Evangeliums während der sonntäglichen Messe in der christlichen Kommune von Solentiname anschlossen. Der Seelsorger, die Vaterfigur, der Freund, der praktisch, handwerklich und bäuerlich begabte Dorf-Vorsteher, der kulturelle Impulsgeber und politische Vordenker in einer Person kommt wesentlich den Bedürfnissen der ländlichen Bevölkerung in Süd- und Mittelamerika nach Integration ihrer gewaltsam zerrissenen Traditionen, Interessen und Lebensweisen entgegen. Diese seltene und genuine Bündelung von Fähigkeiten ...