Von Philip Thomson
EinleitungDie Geschichte der australischen Literatur seit dem Zweiten Weltkrieg wird weitgehend durch den Prozeß der kulturellen Loslösung vom ehemaligen kolonialen Mutterland Großbritannien bestimmt. Zwar war die politische Unabhängigkeit schon 1901 beim Zusammenschluß der einzelnen Kolonien zu einer australischen Föderation erreicht worden, und ein eigenes australisches Selbstbewußtsein hatte sich besonders unter dem Eindruck der Teilnahme als junge, selbstbewußte Nation am Ersten Weltkrieg (Schlacht von Gallipoli/Türkei) entwickelt. Dennoch blieb der Aufbau einer kulturellen Identität, auf die man stolz sein konnte, lange Zeit problematisch. Australien, zunächst ein riesiges englisches Straflager, zog erst spät freie Siedler an, und mancher australische Familienstammbaum geht auf einen convict, einen deportierten Sträfling, zurück. Ihr Ursprung als Strafkolonie hat in der später selbständigen Nation einen Minderwertigkeitskomplex hinterlassen, der noch heute manchmal spürbar ist: in einem trotzigen Selbstbewußtsein, in der Neigung, sich übermäßig arrogant und derb aufzuführen, aber auch in dem Glauben, als Nation zurückgeblieben zu sein, besonders wenn ihre Errungenschaften mit denen der beiden großen angelsächsischen Bruderländer, mit Großbritannien und den USA, verglichen werden. Im politischen und ökonomischen, aber auch im kulturellen Leben äußerst sich das schwierige Verhältnis zum Mutterland Großbritannien oft als Haßliebe. Einerseits hängt man am old ...