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Nation: | Volksrepublik China |
von Wolfgang Kubin
Wang Anyi gehört zu den produktivsten Autorinnen der chinesischen Gegenwartsliteratur nach dem Ende der Kulturrevolution. Auch nach Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 ist sie im Gegensatz zu vielen anderen namhaften Schriftstellern trotz mancher kulturpolitischer Anfeindungen weder verstummt noch ins Ausland gegangen. Obwohl ihr im chinesischen Sprachraum ein größeres Publikum nie versagt geblieben ist, hat sie dennoch bislang keinen nennenswerten internationalen Durchbruch erzielen können. Das mag vor allen Dingen zwei Gründe haben: Ihre Thematik seelischer Befindlichkeit junger Menschen ist weder vordergründig feministisch wie die einer Zhang Jie noch politisch wie die eines Wang Meng. Und ihr Stil ist unprätentiös, verhalten, ja still. Der Übersetzer sieht sich besonders dann vor große Probleme gestellt, wenn er wie im Fall der äußerst erfolgreichen Novellen (zhongpian xiaoshuo) “Kleinstadtliebe”, “Liebe im verwunschenen Tal” und “Liebe im Schatten des Berges” (in: “Huangshan zhi lian”, Liebe im Schatten des Berges, 1988) nicht in der Lage ist, die Haltung der Erzählerin als eindeutig distanziert auszumachen. Hat man es hier mit großer Erzählkunst oder mit Trivialliteratur zu tun? Vor dieser Frage steht nicht nur der Übersetzer, sondern oftmals auch der Leser ...