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Nation: | Spanien |
von Andrea Rössler
Stand: 01.04.1994
Adelaida García Moralesʼ Geschichten sind denkbar einfach und scheinbar anspruchslos. Sie erzählen von Vater-Tochter-Beziehungen, von Kindheitserfahrungen, von Liebesverhältnissen. Es sind Geschichten, deren Handlung sich in wenigen Sätzen wiedergeben lässt. Wichtiger als das Geschehen ist stets die Atmosphäre, in der es sich ereignet. García Morales bevorzugt als literarische Räume abgelegene Dörfer im Süden Spaniens, unwirkliche, geheimnisvolle Orte: Grenzzonen zwischen dem Realen und dem Irrealen, in denen sich ihre immer weiblichen Ich-Erzähler bewegen.
Weder haben diese Erzähltexte einen dokumentarisch-sozialkritischen oder offensiv feministischen Ton, noch stellen sie avantgardistisch-experimentelle Sprachspiele dar; weder kreisen sie allein um sich selbst, um ihre Genese und ihren Status als literarische Artefakte, noch widmen sie sich der Aufarbeitung der Vergangenheit. Rubrizieren lassen sie sich, wenn überhaupt, als phantastische Literatur – freilich nur, sofern man darunter weder das modische fantasy-Genre noch die herkömmliche gothic novel versteht. García Moralesʼ Prosa hat nichts Märchenhaftes an sich, und anders als in der traditionellen Schauergeschichte wird das Phantastische nicht rational gedeutet oder erklärt. Das Phantastische bricht vielmehr in die Alltagsrealität ein und lässt die Grenzen, die ein aufklärerisches Welterfassungsmodell gezogen ...